Klinische Diagnostik von Lysosomalen Speicherkrankheiten

Steinbeis analysiert mit Projektpartnern Stoffwechselkrankheiten

Lysosomale Speicherkrankheiten (LSD) sind eine Gruppe von meist genetisch bedingten Stoffwechselkrankheiten, die durch den Funktionsverlust von lysosomalen Enzymen ausgelöst werden und ohne Behandlung – meist über mehrere Jahre – tödlich verlaufen. Da für eine Reihe von LSDs wie beispielsweise Morbus Gaucher und Morbus Fabry bereits eine wirksame Therapie durch den Ersatz von Enzymen möglich ist, ist eine schnelle und sichere Diagnostik von entscheidender Bedeutung. Das Steinbeis-Transferzentrum Biopolymeranalytik/Proteinchemie und Proteomanalytik an der Universität Konstanz hat in Kooperation mit dem Unternehmen Genzyme CEE und der Universität Timisoara in Rumänien hochempfindliche molekulare Methoden der LSD-Bestimmung durch Massenspektrometrie und Fluorimetrie entwickelt und für die klinische LSD-Diagnostik validiert.

Lysosomale Speicherkrankheiten sind eine Gruppe von meist genetisch bedingten Stoffwechselerkrankungen, die durch Funktionsstörung oder Aktivitätsverlust lysosomaler Enzyme ausgelöst werden. Die entsprechenden Enzym-Substrate werden nicht mehr im Lysosom abgebaut; ihre Anreicherung verursacht schwere Krankheitssymptome, wie z. B. Leber-, Milzvergrößerung, Herzmuskelatrophie oder Lungenerkrankungen bis hin zu multiplem Organversagen, die ohne Behandlung tödlich verlaufen. Von den bisher etwa 50 bekannten LSDs sind einige bereits durch Ersatztherapie der beteiligten Enzyme behandelbar; hierzu zählen Morbus Fabry, Morbus Gaucher und Morbus Pompe. Zur Therapie von Morbus Gaucher und Morbus Fabry sind die in jüngster Zeit für die Enzymersatztherapie (ERT) durch Genzyme entwickelten spezifischen Enzyme verfügbar, die bei gesicherter Diagnose und rechtzeitiger Behandlung hohe Heilungsaussichten besitzen.

Die Erhebung einer sicheren und schnellen Diagnose ist bisher ein Hauptproblem; sie erweist sich als äußerst schwierig, so dass betroffene Kinder oft vor einer möglichen Therapie sterben. Mit einer gesicherten biochemischen Diagnostik kann die Diagnose genetisch abgesichert und nach Möglichkeit die Familie des Patienten getestet werden. Zielsetzungen der Forschungs- und Entwicklungsstudie des Konstanzer Steinbeis-Transferzentrums und seiner Projektpartner waren die Entwicklung von molekularen Methoden der klinischen Diagnostik von Lysosomalen Speicherkrankheiten durch die spezische quantitative Bestimmung der Enzymaktivitäten im Blut; sowie die klinische Etablierung und Validierung der entwickelten Diagnosemethodik; hierzu wurden erste diagnostische Untersuchungen in Kooperation mit Kliniken in zentral- und osteuropäischen Ländern durchgeführt, in denen bisher keine oder keine gesicherten Diagnosemethoden vorliegen.

Für die empfindliche und sichere klinische Diagnostik von LSDs im Blut entwickelten die Projektpartner Methoden durch die Probengewinnung mit der „Dry-Blood-Spot“-Methode (DBS). Hierzu werden Blutproben von rund 30 Mikroliter auf einem speziellen Membranfilter adsorbiert (Protein-Saver Card). Die so in luftdicht verschlossener und getrockneter Form vorliegenden Proben können über einen längeren Zeitraum stabil gelagert und transportiert werden; zur Probenextraktion wurden Aliquots der DBS-Probe von 3 mm Durchmesser ausgestanzt und zu Mehrfachbestimmungen eingesetzt. Zur Diagnostik wurden zwei komplementäre Methoden entwickelt und angewendet:

  • Molekülspezifische quantitative Bestimmung der Enzymaktivitäten mittels Tandem-Massenspektrometrie; hierbei erfolgt die quantitative Bestimmung des Produkts eines Struktur-Analogen des natürlichen Substrats, z. B. Galactosyl-Ceramids für Morbus Fabry (α-Gal) mit Hilfe eines Isotopen- markierten Internen Standards;
  • Fluorimetrische Bestimmung der Enzymaktivität durch die Verwendung eines fluoreszierenden Substrat-Analogen; bei der enzymatischen Spaltung des Galactosylsubstrats zur Bestimmung der α-Gal wird das 4-Methylumbelliferon (4-MU) gebildet. Das Substrat wird hierzu in eine Mikrotiterplatte gegeben, nach Zugabe des DBS mittels eines Puffers der pH auf 4.5 eingestellt, und die Bildung des fluoreszierenden Produkts nach Anregung bei 360 nm bei 400 nm Fluoreszenzemission bestimmt; dieses Verfahren ist daher zur schnellen und vielfachen klinischen „Screening“-Diagnostik geeignet.

Die HPLC-Tandem-Massenspektrometrie verwendet eine Analyse spezifischer Fragmentierungsprodukte der Substrat-Produktumsetzung des betreffenden Enzyms. Dieses Verfahren („Multiple-reaction-monitoring“; MRM) ermöglicht nicht nur diagnostische Bestimmungen mit außerordentlich hoher („absoluter“) Spezifität. Es lässt sich auch zur gleichzeitigen Bestimmung von mehreren Zielenzymen und damit zur simultanen Diagnostik von mehreren LSDs entwickeln.

Erste klinische Anwendungen zur Diagnostik von Morbus Fabry führte das Projektteam an Blutproben gesunder Kontrollpersonen, sowie an Proben von Patienten mit Morbus Fabry verschiedener Universitätskliniken nach dem Doppel-Blindverfahren durch. Aus ca. 300 Proben konnten beide Verfahren mit hoher Empfindlichkeit, Genauigkeit und Sicherheit entwickelt und validiert werden. Aus den Bestimmungen der α-Gal-Aktivitäten konnten zwei Patienten mit Morbus Fabry eindeutig identifiziert werden; fünf weitere Personen wurden aufgrund der niedrigen Blutwerte als Morbus Fabry-Risikogruppe eingeordnet, und können mit weiteren diagnostischen Methoden klinisch untersucht werden.

In der vorliegenden Studie konnten spezifische und hochempfindliche Methoden für die klinische Diagnostik von Zielenzymen lysosomaler Speicherkrankheiten entwickelt werden, die die Entwicklung und Etablierung von analogen diagnostischen Verfahren für LSDs ermöglichen, deren Zielenzyme bereits vorliegen oder bekannt sind. Darüber hinaus ist die Entwicklung von massenspektrometrischen Methoden zur Identifizierung von Biomarkern für LSDs zu erwarten, für die bisher keine diagnostischen Verfahren vorliegen; hierzu zählen insbesondere LSDs, bei denen mögliche Therapien durch Enzymersatz bereits entwickelt werden.

Für die Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren sind außerdem jüngste Untersuchungen von besonderem Interesse, in denen erstmals Wechselwirkungen von Zielenzymen von LSDs mit Proteinaggregation von Schlüsselproteinen neurodegenerativer Erkrankungen nachgewiesen wurden (beispielsweise Parkinson), in Übereinstimmung mit  nachgewiesenen  neurologischen  Effekten  bei  LSDs.  Zu  entsprechenden  Untersuchungen der Aggregation von LSD-Enzymen sollen die am Steinbeis-Transferzentrum Biopolymeranalytik/Proteinchemie  und  Proteomanalytik etablierten proteinanalytischen Methoden eingesetzt werden.

Kontakt

Claudia Cozma | Sebastian Dilly | Marius Iurascu |
Prof. Dr. Michael Przybylski

Steinbeis-Transferzentrum Biopolymeranalytik/Proteinchemie und Proteomanalytik an der Universität Konstanz (Konstanz)
su0723@stw.de

Christina Mosoarka | Mirela Galusca |
Prof. Dr. Alina Zamfir

Laboratory of Biomolecular Mass Spectrometry
University of Timisoara, Rumänien

Dr. Thomas Fritz | Dr. Michael März |
Dr. Sybille Petersohn

Genzyme CEE (Konstanz)

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